Zur Dominanz des Subjektiven


Thomas Gottorf und seine Frau Barbara bei der Vernissage mit Uwe Degreif (Mitte).
(Foto: Schönecker)

Biberach sz In einer Ausstellung des Kunstvereins Biberach gibt es im Komödienhaus noch bis zum 6. Juli insgesamt 40 Exponate aus der Kunstsammlung „Hände“ von Barbara und Thomas Gottorf zu sehen. Inspiriert durch einen Ausstellungsbesuch im New Yorker Guggenheim-Museum haben der Biberacher Handchirurg und seine Frau in den vergangenen Jahren eine Sammlung von Werken zeitgenössischer Künstler zum Thema „Hand“ zusammengetragen.

Am Freitagabend gab Dr. Uwe Degreif vom Museum Biberach in Anwesenheit der beiden Sammler vieler interessierter Besucher zur Eröffnung der Vernissage eine knappe Einführung in die ungewöhnliche Sammlung.

Aus Anlass des deutschen Handchirurgie-Kongresses Ende Juni, der auf Initiative von Gottorf bereits 1998 erstmals in Biberach stattfand, stellten Claudia Schütz, Inge Rau und Dr. Uwe Degreif vom Kunstverein gemeinsam mit den Sammlern einen repräsentativen Querschnitt von Handdarstellungen aus der viel größeren Privatsammlung zusammen. Die Zusammenstellung mit Exponaten ab der Mitte des 20. Jahrhunderts lässt sich nach den Worten von Uwe Degreif in seiner Einführungsrede trotz des gemeinsamen Sujets „Hand“ vor allem über Ausschlusskriterien definieren. Die Gegenwartskunst ist durch die Dominanz des Subjektiven, durch die überragende Bedeutung der Individualität gekennzeichnet. Dies spiegeln die Ausstellungsstücke deutlich wider. Hinzu kommt, dass der Betrachter „offener Kunstwerke“, wie sie für die Kunst nach 1945 typisch wurden, an der Formulierung der Antworten darüber ebenso beteiligt ist, wie der Künstler selbst.

Zwei Sammler, zwei Intentionen

Die beiden Intentionen der Sammlung, das „Zu-Greifende“ und das „Be-Greifende“, spiegeln den ästhetischen Zugang der beiden Sammler wider.

Die Künstlerin Barbara Gottorf verbindet Empfindung und künstlerisches Handeln, sieht das Prozesshafte, das Flüchtige und Spontane in Grafiken, Zeichnungen oder Aquarellen im Vordergrund. Die konzeptuelle, ideengeleitete, eher wissenschaftliche Zugangsweise wird von Thomas Gottorf bevorzugt. Ihn interessieren vorrangig der intellektuelle Prozess und erst danach dessen bildnerische Umsetzung. Seine Sammelleidenschaft sucht nach dem Ungewöhnlichen, Neuen, nach dem, was in der Systematik der Sammlung noch fehlt.

Erst diese beiden Zugangsweisen zusammen spiegeln jedoch das Besondere der Biberacher Ausstellung, die auf den ersten Eindruck zwar etwas verwirrend wirkt, gerade dadurch aber den Betrachter in eine Auseinandersetzung zwingt. Erst in der Reflexion wird die häufig dargestellte Künstlerhand zur „Schöpferhand“, wie etwa auf Rosemarie Trockels Plakatentwurf „Flagge zeigen“ exemplarisch zu sehen. Die manipulierte Fotografie „Handrücken“ aus der Lightbox-Serie „hands“ des Schweizer Multimediakünstlers Danielle Buetti oder Andy Warhols „Fist“ von Muhammad Ali aus dem Jahr 1978 offenbaren ihre Geheimnisse, wie der provokative Plakatentwurf des Künstlerduos Gilbert & Georg ebenfalls erst auf den zweiten Blick.

Die Ausstellung fasziniert besonders auf den zweiten Blick, lohnt aber durchaus die intensive Auseinandersetzung mit dem Sujet.

Die Ausstellung im Komödienhaus ist zu sehen mittwochs bis freitags von 14 bis 17 Uhr und an Samstagen, Sonntagen sowie Feiertagen von 11 bis 17 Uhr.

Quelle: Schwäbische Zeitung 2014